Der Mann im Mond
Frau M. ist hundert. Sie kann noch mehrere Gedichte auswendig. Darunter ist auch das schöne alemannische Gedicht:
Der Mann im Mond | |||
Johann Peter Hebel | |||
Lueg, Müetterli, was isch im Mo? | Schau M. was ist im Mond | ||
He, sisch´s denn nit, e Ma! | Ach, siehst du das nicht, ein Mann, | ||
Jo wegerli, i sieh en scho. | Na ja ich seh ihn ja schon. | ||
Er hät e Tschöpli a. | Er hat ein Jäckchen an | ||
Was tribt er denn die ganzi Nacht, | Was macht er denn die ganze Nacht, | ||
er rüehret jo kei Glied? | Er rührt ja kein Glied? | ||
He, siehsch nit, aß er Welle macht? | Siehst du nicht, dass er Reisigbündel macht | ||
Jo, ebe dreiht er d´Wied. | ja, grad macht er die Weiderute drum rum | ||
Wär ich, wie er, i blieb dehei, | Wenn ich er wär, da täte ich daheimbleiben | ||
und machti d´Welle do. | Und würd‘ meine Bündel da machen* | ||
He, isch er denn us üser Gmei? | Und ist er denn aus unserm Dorf? | ||
Mer hen scho selber so. | Wir haben schon selber genug von der Art. | ||
Und meinsch, er chönn so, wiener well? | Und glaubst du, er könnt so, wie er will? | ||
Es wird em, was em ghört. | Es passiert mit ihm das, was er verdient. | ||
Er gieng wohl gern – der surfer Gsell | Er würd wohl gern abhauen, der saubere Gesell | ||
mueß schellerwerche dört. | er muss dort Zwangsarbeit machen | ||
Was het er bosget, Mütterli? | Was hat er verbrochen, Mutter? | ||
Wer hätt en bannt dörthi? | Wer hat ihn dorthin verbannt? | ||
Me het em gseit der Dieterli, | Dieterli hat man zu ihm gesagt | ||
e Nütznutz isch er gsi. | Er war ein Nichtsnutz | ||
Ufs Bette het er nit viel gha | Vom Beten hat er nicht viel gehalten | ||
ufs Schaffen o nit viel, | Vom Arbeiten auch nicht | ||
und öbbis mueß me triebe ha, | Und irgendwas muss man ja machen | ||
sust het ma langi Will. | sonst hat man Langeweile | ||
Drum, het en öbbe nit der Vogt | Und deshalb, wenn ihn nicht gerade der Vogt | ||
zuer Strof ins Hüsli gspert, | zur Strafe eingesperrt hatte, | ||
sen isch er ebe z´Chander ghockt, | dann ist er in Kandern gesessen | ||
und het d´Butelli gleert. | und hat ein Fläschchen geleert | ||
Je, Mütterli, wer het em´s Geld | Ja Mutter, wer hat ihm das Geld | ||
zu some Lebe ge? | zu so einem Leben gegeben | ||
Du närsch, er het im Hus und Feld | Du Dummi, er hat in Haus und Feld | ||
scho selber wüsse z´neh. | schon selber gewusst, wie man nimmt. | ||
Nernol, es isch e Sunntig gsi, | Einmal, es war an einem Sonntag | ||
so stoht er uf vor Tag, | Ist er ganz früh aufgestanden, | ||
und nimmt e Beil, und tummlet si, | und hat ein Beil genommen, sich beeilt | ||
und lauft in Lieler Schlag. | und ist in den Lieler Holzschlag gelaufen | ||
Er haut die schonstee Büechli um, | Er hat schöne junge Buchen umgeschlagen | ||
macht Bohnestecke drus, | und Bohnenstecken draus gemacht, | ||
und treit sie furt, und luegt nit um, | und hat sie fortgetragen, sich nicht umgeschaut, | ||
und isch scho fast am Hus. | und fast ist er schon zu Hause | ||
Und ebe goht er uffem Steg, | Und da geht er gerade auf dem Steg | ||
se ruuscht em öbbis für: | da raunt ihm was: | ||
Jetz, Dieter, goht´s en andere Weg! | Jetzt Dieter, geht’S einen andern Weg, | ||
Jetz, Dieter, chumm mit mir!‘ | Jetzt Dieter, komm mit mir!‘ | ||
Und uf und furt, und sieder isch | Und rauf und fort, und seither ist | ||
kei Dieter wit und breit. | kein Dieter weit und breit | ||
Dört obe stoht er im Gibüsch | Dort oben steht er im Gebüsch | ||
und in der Einsamkeit. | und in der Einsamkeit | ||
Jetz haut er jungi Büechli um; | Jetzt haut er junge Buchen um | ||
jetz chuuchet er in d´Hän; | jetzt haucht er in die Hände | ||
jetz dreiht er d´Wied, und leit sie drum, | jetzt dreht er die Weidenrute um das Holz | ||
und ´s Sufe het en End. | Und mit dem Saufen ist’s vorbei | ||
So goht´s dem arme Dieterli; | So geht’s dem armen Dieter | ||
er isch e gstrofte Ma! | er ist ein gestrafter Mann | ||
O bhüetis Gott, lieb Müetterli, | Behüt‘ mich Gott, liebe Mutter | ||
i möchte´s nit mittem ha! | Ich möchte nichts mit ihm zu tun haben | ||
Se hüet di vorem böse Ding, | Dann hüte dich vor allem Bösen | ||
´s bringt numme Weh und Ach! | Es bringt nur Weh und Ach | ||
Wenn´s Sunntig isch, se bett und sing. | Wenn der Sonntag kommt, dan bet‘ und sing | ||
Am Werchtig schaff di Sach. | Und am Werktag erledige deine Aufgaben. |
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